Mikis Theodorakis zum 90. Geburtstag: Musiker, Widerstandskämpfer, Komponist, Dirigent und Politiker


Mikis Theodorakis, "Fabrik" Hamburg, 1971. Foto: flickr, Heinrich Klaffs.

September 1971: Mikis Theodorakis während des Konzerts in der „Fabrik“ in Hamburg. Seine Ausführungen gegen die Militär-Junta in seiner Heimat hatten eine Signalwirkung in Europa.
Foto: flickr, Heinrich Klaffs.

Mikis Theodorakis ist einer der politischsten und tiefgründigsten Künstler Griechenlands. Der Vollblutmusiker, Widerstandskämpfer, Komponist, Dirigent, Politiker wird am 29. Juli 2015 neunzig Jahre alt. Er hat weltweit über 60 Millionen Platten und CDs verkauft. In Griechenland selbst kennt ihn jedes Kind. Für die Griechen ist er „Mikis“ und ihr Volksheld.

Seine Filmmusik zu „Alexis Sorbas“ machte ihn weltberühmt. Doch wer nur dieses eine Musikstück kennt, hat eigentlich viel zu wenig vom umfangreichen Schaffen von Theodorakis kennengelernt. Seine Filmkompositionen zu „Z“ und „Serpico“ und die Vertonung des „Canto General“ nach Gedichten von Pablo Neruda brachten ihm weitere internationale Erfolge. Daneben ist er durch sein politisches Engagement bekannt.

Mikis wurde am 29. Juli 1925 auf der Insel Chios geboren. Sein Vater Giorgos stammte aus Galatas bei Chania auf Kreta, seine Mutter Aspasia Poulaki aus Cesme in Kleinasien, der heutigen Türkei.


Schönheit gegen Verbrechen

Die Musik half ihm die vielen Verbrechen zu überleben, die ihm und seinem Volk angetan wurden. Ob sie ihm auch derzeit hilft, den Niedergang Griechenlands zu verstehen? Bereits mit zwölf Jahren schreibt Mikis erste Lieder, mit achtzehn wird er von italienischen Besatzungstruppen zum ersten Mal inhaftiert und gefoltert.

Während des griechischen Bürgerkriegs sperrt man ihn mehrmals auf die berüchtigten Gefangeneninseln Ikaria und Makronissos. Er erleidet schwerste Folterungen und war dem Tod nahe. Sein Vater Giorgos verkaufte seinen Besitz auf Kreta, um seinem Sohn zu Hilfe zu kommen. Als Mikis 1949 aus der Haft entlassen wurde, war er physisch am Ende.

Mikis Theodorakis überlebt all das – vor allem dank der Kraft, die er aus der Musik schöpfen kann. Seine Freiheitslieder, seine Vertonungen der Gedichte von Jannis Ritsos, vor allem von dessen „Epitaphios“, brachten ihm Weltruhm und die tiefe Liebe seines Volkes – bis heute.

„Wo sollen wir Hoffnung hernehmen? Unser aller Leben hatte einmal einen natürlichen Rhythmus, den haben wir verloren. Wir versinken in ungeheuren Geldbewegungen und einem Bombardement von Informationen, wir verlieren und vergessen unsere Menschlichkeit, unser Menschsein.

 

Dabei haben wir Hunger auf echte Harmonie – nicht auf solche, die als Illusion daherkommt. Die Menschen sollten lernen, der Disharmonie entgegenzutreten und falsche Harmonie zu erkennen.

 

An die Politik gerichtet: Es ist äußerst gefährlich, Situationen falscher Harmonie zu erzeugen. Wir könnten eine harmonische Welt herstellen, wir müssten sie nur wollen. Ich spreche hier nicht von politischen Manifesten, sondern von dem, was machbar ist, was Wirklichkeit sein kann. Wir dürfen dem Chaos einfach nicht erlauben, sich bei uns einzunisten.“

Mikis im Interview der FAZ vom Juni 2015

In Paris gehörte Mikis in den 60er Jahren zur Kompositionsklasse Olivier Messiaens. Doch es ist nicht die Avantgarde, die ihn anzieht. Er sucht seinen eigenen Weg und gewinnt damit die Herzen seiner Zuhörer, nicht nur der Griechen.


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Maria Farantouri: Die größte Stimme Griechenlands

Im Jahr 1963 entdeckte er die damals sechzehnjährige Maria Farantouri, als sie eines seiner Lieder vortrug. Er war sofort verzaubert und machte sie zur wichtigsten Interpretin seiner Musik. Maria wird oft in einem Atemzug mit Mikis genannt, da sie in vielen Liederzyklen die Solostimme singt Mikis nennt sie „Seine Priesterin“. Internationalen Ruhm erlangte sie in den 70er und 80er Jahren. Farantouri wird „die größte Stimme Griechenlands“ genannt.


Exil und Rückkehr: 1967 bis 1974

Einer der ersten Erlasse der griechischen Militärjunta ab 1967 ist das Verbot der „Musik und Lieder des Komponisten Mikis Theodorakis“. Der Geächtete kämpft weiter im Untergrund für Demokratie und Kultur. Er verlässt Griechenland und flieht ins Ausland, wieder nach Paris.

1974, nach dem Sturz der Diktatur, wurde Mikis Theodorakis bei seiner Rückkehr nach Griechenland als ein Volksheld gefeiert. Das legendäre Konzert im Athener Karaiskakis-Stadion geht in die Geschichte ein (siehe Video unten). In seinem politischen Engagement lässt er auch in den späteren Jahrzehnten nicht nach.

In Künstlern aus der DDR fand er wichtige Bündnispartner für seine Musik, doch das Fehlen jeglicher Freiheit in einem sozialistischen Land erschütterte ihn. Als er sich für die griechisch-türkische Aussöhnung einsetzt, weckt dies wiederum den Argwohn in Griechenland.


Mikis: Immer auf der Seite der sozial Schwachen

Seine politischen Ansichten und Positionen wechseln, zum Teil über tiefste Gräben. War er früher überzeugter Kommunist, trat er später in eine Regierung der Konservativen ein. In der gegenwärtigen griechischen Krise engagiert er sich auf der Seite der sozial Schwachen. Was Theodorakis geblieben ist: Ein tief sitzender und tief reichender Humanismus, auch wenn in späteren Jahren mehr und mehr die Skepsis dazukommt.


Leider hatten wir persönlich nicht das Glück Mikis einmal live erleben zu können. Die beiden Künstler Maria Farantouri und George Dalaras konnten wir jedoch bereits mehrfach bei Konzerten in München und Berlin erleben.

Am 4. Oktober 2015 waren wir beim Konzert von George Dalaras und Maria Farantouri  mit ihrem Programm „Best of Theodorakis – The 90th Birthday Tribute“ im Gasteig, München.


Mikis Theodorakis‘ erstes Konzert mit Maria Farantouri nach dem Ende der Militärjunta am 10. Oktober 1974, Ausschnitte aus dem Konzert im Karaiskakis-Stadion, Athen.


Filmproduktion „Dance Fight Love Die – With Mikis on the road“

Der Regisseur Asteris Kutulas komponiert derzeit aus einem Fundus von 600 Stunden unveröffentlichtem, privatem Film-Material das poetisches Roadmovie „Dance Fight Love Die – With Mikis on the road“. Eigentlich entsteht ein großer Musik-Videoclip. Kutulas hat Mikis Theodorakis zwischen 1987 und 2014 begleitet und dabei immer wieder seine Kamera laufen lassen.

Für seine Filmcollage mischt er diese dokumentarischen Aufnahmen mit historischem Material und epischen „Spielfilm“-Szenen. Kutulas hat dabei die Ästhetik seines Genre sprengenden Films „Recycling Medea“ substanziell weiterentwickelt. Das Ergebnis: ein überbordendes visuelles Epos über Mikis Theodorakis, über Liebe, Musik, Leidenschaft und Tod im ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhundert. (Stand: Juli 2015)

Preview am 31. Juli 2015 in Berlin!

Anlässlich des 90. Geburtstags zeigte das Babylon Berlin (Berlin, Rosa-Luxemburg-Platz) am 31. Juli 2015, um 19.30 Uhr, eine exklusive Work-In-Progress-Preview des Films. Der Regisseur steht nach der Vorführung für ein Gespräch mit dem Publikum zur Verfügung.

Mit: Mikis Theodorakis, Sandra von Ruffin, Stathis Papadopoulos, Carlos Rodriguez, Rafika Chawishe, Anna Rezan, Rosa Merino Claros, Maria Kousouni, Bella Oelmann, Kat Voltage, Sofia Pintzou, Inka Neumann, Aiste Povilaikaite, Stella Kalafati. Genre: Hybrid-Documentary-Fiction-Music-Film, Regie: Asteris Kutulas, Erscheinungstermin: November 2015.

Dance Fight Love Die - With Mikis on the road


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Reiseberichte aus Griechenland, Italien, Österreich, Deutschland
Mikis Theodorakis zum 90. Geburtstag: Musiker, Widerstandskämpfer, Komponist, Dirigent und Politiker
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Mikis Theodorakis zum 90. Geburtstag: Musiker, Widerstandskämpfer, Komponist, Dirigent und Politiker
Beschreibung:
Mikis Theodorakis ist einer der politischsten und tiefgründigsten Künstler Griechenlands. Am 29. Juli 2015 wurde er neunzig. Die Filmmusik zu Alexis Sorbas machte ihn weltberühmt. Für die Griechen ist er „Mikis“ und genießt die tiefe Liebe seines Volkes.
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Monika Hoffmann

schreibt Foto-, Natur- und historische Reportagen aus Griechenland, Italien, Österreich, Deutschland mit Schwerpunkt München und Bayern. Passion auf Reisen: Geschichte und archäologische Plätze. Spezialgebiete: Ur- und Frühgeschichte & Antike Hochkulturen. Die Fotografin, Redakteurin, Köchin, Naturfreundin liebt Griechenland, Italien und ihre Heimat Oberbayern: Über die Geschichte bis zu Musik, Literatur, Filmkunst.

11 Kommentare:

  1. Pingback:Jannis Ritsos: Romiosini - Eine Hymne an Griechenland

  2. kokkinos vrachos

    Moin und Kalimera, für mich gehört die Autobiografie „Mikis Theodorakis Die Wege des Erzengels“ (Insel, Frankfurt am Main 1995) immer noch zu den Büchern die mich bis heute am meisten berührt haben.

    Ein Denkmal demontiert sich selbst

    Mit seiner Teilnahme der Nationalistischen Mazedonien Kundgebung vom 4. Februar auf dem Sýntagma-Platz vor dem Parlament in Athen, unter dem Motto „Makedonien bedeutet Griechenland“ als Hauptredner und seinen Aussagen, seine ersten Worte waren „meine Brüder, Faschisten, Rassisten, Terroristen. Ich bin ein Patriot, Internationalist und ich kämpfe gegen Faschismus und seine gefährlichste Art, den linken Faschismus. …Ich schäme mich nicht wie die Nation-Nihilisten, die das Land regieren…Eine Minderheit regiert das Land…Extremisten, die feige Terroristen sind.“. Und dann der größte Hammerschlag: „Der schlimmste Faschismus war schon immer der linksgerichete Faschismus“. Nach den Aussagen kann man nur noch Enttäuscht und Fassungslos von Theodorakis sein.

    Eine anarchistische Gruppe schrieb folgende Parole an sein Haus: „Deine Geschichte beginnt in den Bergen und endet in der nationalistischen Gosse.“

    Die Rede Mikis Theodorakis wird vielen in Erinnerung bleiben und prägt und drückt den aktuellen Diskurs des kirchlich-rechten pro-griechisch-mazedonischen Blocks aus.

    vg aus Hamburg, kv

  3. kokkinos vrachos

    Der große Gesang

    Der Canto General von Pablo Neruda und Mikis Theodorakis wurde vor 40 Jahren zum ersten Mal in Griechenland aufgeführt

    https://www.jungewelt.de/2015/08-15/006.php

    schönes Wochenende, kv

  4. kokkinos vrachos

    Lob des eigensinnigen Kreters

    Ein Mikis-Theodorakis-Abend zum 90. des Komponisten in Berlin

    https://www.jungewelt.de/2015/07-31/036.php

    vg, kv

  5. kokkinos vrachos

    Beim interessanten Blog von diablog.eu ist auch ein schöner Artikel über M. T. erschienen.

    Unterwegs mit Mikis Theodorakis
    Filme zum 90. Geburtstag von Mikis Theodorakis

    http://diablog.eu/portraet/musik/unterwegs-mit-mikis-theodorakis-2/

    vg, kv

  6. kokkinos vrachos

    Moin Monika, heute ist der zweite Teil über M. T. erschienen.

    »Freiheit ist Pflicht!«

    Mikis Theodorakis zum 90. Geburtstag. Teil II (und Schluss): Über Volksmusik und die Kreativität eines Komponisten

    https://www.jungewelt.de/2015/07-30/003.php

    vg aus Hamburg, kv

  7. kokkinos vrachos

    Moin, wußte gar nicht das das bekannte Foto von M. T. aus Hamburg stammt.
    In meiner rebellischen Jugend war ich oft zu Konzerten in der Fabrik. In der Location Fabrik finden auch heute noch Konzerte statt.

    In der Tageszeitung junge welt ist heute ein schöner Artikel über M. T. erschienen.

    »Hungern nach echter Harmonie«
    Mikis Theodorakis zum 90. Geburtstag (Teil I): Der berühmte Künstler über Einklang und Chaos in Politik und Musik

    https://www.jungewelt.de/2015/07-29/001.php

    vg, kv

    • Hallo Kokkinos, vielen Dank für den link in der Jungen Welt – ein toller und sehr interessanter Artikel…puhh, da können wir natürlich nicht mithalten. Wir waren uns zunächst sowieso unsicher, ob wir überhaupt etwas über Mikis schreiben „sollen/dürfen“… Mikis ist unser aller Held! Genau diese Tatsache ließ uns zunächst schwanken – aber das tolle Feedback (auch in den Netzwerken) auf unseren Artikel macht uns nun doch ein wenig stolz.
      Zur Fabrik in Hamburg – ein Auszug aus einem Artikel von Kultur-Port.de vom August 2014:
      Ein Nachruf: Horst Dietrich, Gründer der Altonaer „Fabrik“, ist tot
      „Im Sommer 1971 wird die „Fabrik“ eröffnet. Für Horst Dietrich ist sie fortan das Abenteuer seines Lebens. Auch wenn er und viele andere ihre ganze Arbeitskraft hineinstecken, wird das Geld kaum reichen. Aber was bedeutet das schon in einer Zeit, in der langes Nachdenken über die Konsequenzen für Lebensweg oder Altersrente als spießig gilt? Die Idee ist ein Volltreffer – bald stehen berühmte Künstler aus aller Welt auf der Bühne. An einem Tag ist das vielleicht ein unbekannter Newcomer wie der junge Otto stehen, am nächsten ein Weltstar wie Miles Davis, am dritten feiert man den Komponisten Mikis Theodorakis, der gegen die Militär-Junta in seiner griechischen Heimat agitiert.“
      (Link: http://www.kultur-port.de/index.php/kunst-kultur-blog/kulturmanagement/9945-ein-nachruf-horst-dietrich-gruender-der-altonaer-fabrik-ist-tot-.html)

      Viele Grüße aus München! Monika 🙂

      • hallo ,Monika—-und ich hatte damals das große Glück ,bei diesem Konzert dabei sein zu können. Es wurde übrigens in eine Dokumentation von Peter von Zahn ein gebunden ,daß 1972 vom WDR unter dem Titel „EXIL“ aus gestrahlt wurde. Gruß nach München. Helga Kiesbye

        • Hallo Helga, das stimmt – eine einmalige Gelegenheit bei diesem Konzert gewesen zu sein. Ein bisserl Neid kommt da bei mir schon auf. Zugegeben, damals war ich erst sieben Jahre alt. Also wäre ein Besuch bei Mikis doch eher unwahrscheinlich gewesen. Vielen lieben Dank für Deinen interessanten Kommentar. Viele Grüße, Monika

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