Während meiner Reisevorbereitungen suche ich vorab gerne den passenden Lesestoff zum Reiseziel zusammen: Reiseführer, Musik-CDs, Merian-Magazine, Literatur und Gedichtbände. Der Peloponnes wird Ziel unserer Sommerreise 2016 sein. Die Region war die Heimat des griechischen Dichters Jannis Ritsos, den ich euch hier ans Herz legen möchte.
Dem schon etwas abgegriffenen, schmalen Gedichtband „Milos geschleift – Poeme und Gedichte“ von Jannis Ritsos bin ich nach der Neuentdeckung im heimischen Bücherregal erneut verfallen. Seit ich 2009 im Münchner Gasteig, bei mehreren Veranstaltungen zum 100. Geburtstag von Jannis Ritsos dabei war, habe ich seine Lyrik für mich entdeckt, die ich euch nicht vorenthalten möchte.
Denn Ritsos’ Verse sind elementar, tief verwurzelt im griechischen Volk, in der Natur seiner Heimat dem Peloponnes und bringen etwas in meiner Seele zum Klingen, das sonst vielleicht stumm geblieben wäre.
Der Dichter und Kommunist Jannis Ritsos, geboren 1909 in Monemvasia auf dem Peloponnes, starb 1990 in Athen. Er gilt neben Giorgos Seferis und Odysseas Elytis als größter griechischer Lyriker des 20. Jahrhunderts.
Während der deutschen Okkupation Griechenlands (1941-45) wurde er zum Chronisten des Widerstandswillens des griechischen Volkes. Von 1945 bis 1947 verfasste er eines seiner berühmtesten Gedichte: „Romiosini“. Das Werk ist sein Hohelied auf sein Land und sein Volk. Teile daraus wurden von Mikis Theodorakis in einem Liederzyklus vertont.
Von 1948 bis 1952 wurde Jannis Ritsos in sogenannten Umerziehungslagern auf den Verbannungsinseln Limnos, Makronisos und Agios Efstratios interniert. Theodorakis hatte Ritsos im Konzentrationslager auf der Insel Makronisos kennengelernt, in dem er ebenfalls inhaftiert war.
Mit tausenden anderen kommunistischen Regimegegnern war Jannis Ritsos während des Bürgerkriegs festgenommen worden. 1967 bis 1968 wurde er nochmals in Lager auf den Inseln Jaros und Leros verbannt. Unter Hausarrest lebte Ritsos danach streng überwacht auf der Insel Samos. Erst nach dem Ende der Diktatur kam er 1974 endgültig frei: Inzwischen eine internationale Berühmtheit und als Dichter ungebrochen.
Während der Osmanenherrschaft wurde mit Romiosini das Griechentum bezeichnet. Der Begriff ging aus dem türkischen Wort „Rum“ hervor. Im Griechischen ist „Romios“ ein Synonym für einen stolzen Griechen. Jannis Ritsos „Romiosini“ ist eine Hymne an die karge griechische Landschaft und an die Menschen, die mit ihr verschmolzen sind. Im Gedicht „Diese Bäume – Afta Ta Dentra“ beschreibt der Dichter seine Heimat Griechenland als ein Land der Beherrschten, der Unterdrückten, der Verfolgten – zeitlos und aktuell …
WERBUNG
Diese Bäume – Afta Ta Dentra (Αυτά τα δέντρα)
Diese Bäume dulden einen geringeren Himmel nicht,
diese Steine verweigern sich dem fremden Schritt,
diese Gesichter können nur unter der Sonne sein.
Diese Landschaft ist hart wie das Schweigen,
sie presst in ihrem Schoß das heiße Gestein,
in ihrem Licht die verwaisten Ölbäume und die Weinstöcke,
sie presst die Zähne zusammen.
Es gibt kein Wasser. Nur Licht.
Alle dürsten. Jahre nun.
Alle kauen sie einen Bissen Himmel
über ihrer Bitterkeit.
Ihre Augen rötet die schlaflose Nacht,
eine Furche tief, eingekeilt zwischen den Brauen,
wie eine Zypresse zwischen zwei Bergen im Abendglanz.
Wer seine Amazon-Buchbestellung über die Anzeige unten abwickelt, unterstützt uns ohne jeglichen Mehraufwand, um unsere laufenden Kosten für den Blog etwas abzudecken. Vielen Dank dafür.
WERBUNG
Linktipps
- Das Gedicht „Diese Bäume – Afta Ta Dentra“ haben wir dem Buch „Milos geschleift – Poeme und Gedichte“ von Jannis Ristos, Philipp Reclam Verlag, 1979, entnommen.
- Die musikalische Umsetzung von Mikis Theodorakis von „Afta ta dentra“ ist auf der Doppel-CD Axion Esti/Romiosini (Music of Theodorakis) von George Dalaras, (Musikstream, Track 1/1) zu finden.
- Ausführlichen Lesestoff zu Jannis Ritsos im Blog von Asteris Kutulas: asti-blog.de
Als Titelfoto habe ich die Landschaft um die Ausgrabungen der antiken Stadt Messene bei Kalamata, auf dem Peloponnes gewählt. Die Stadtmauer mit Wachtürmen stammt aus dem 4. Jhd. v. Chr.
Jannis Ritsos: Romiosini – Eine Hymne an Griechenland