Inhaltsverzeichnis
- 1 Arnulf von Kärnten: Erbauer der Königspfalz in Regensburg
- 2 Wie sah die Königspfalz bei St. Emmeram aus?
- 3 Zum Vergleich: Der Thronsaal der Kaiserpfalz von Ingelheim
- 4 Die Statuen in der Vorhalle: Emmeram, Christus und Dionysius
- 5 Der Heinrichsstuhl in St. Emmeram: Kaiserthron und Richterstuhl?
- 6 Buchtipp
- 7 Mehr Lesefutter? Hier entlang!
Im Frühmittelalter hob sich Regensburg von allen anderen Städten in Bayern durch seine Pfalzen ab und kann sicherlich für diesem Zeitraum als Pfalzstadt bezeichnet werden. Erst in ihrer weiteren Entwicklung wurde die Donaumetropole zur Bischofsstadt und ab dem 13. Jhd. zur Bürgerstadt mit Rathaus.
Die Regensburger Herrscher erbauten zwei Pfalzen in der Stadt. Die ältere war die Herzogspfalz der Bajuwaren am Alten Kornmarkt, die auf das 6. Jhd. zurückgeht. Die Karolinger erbauten im 9. Jhd., bei der schon damals berühmten Abtei St. Emmeram, einen zweiten Palast – die Königspfalz.
Mit dieser Entscheidung werteten die Karolinger die Bedeutung der Stadt und des Klosters St. Emeram auf. Der in der Abtei verehrte Märtyrer-Bischof Emmeram wurde Parton der Karolinger. Die „alte“ Pfalz der Agilolfinger wurde weiter zu Versammlungen oder als Unterkunft für den Hochadel genutzt.
Was waren die Beweggründe des Karolingerkönigs Arnulf von Kärnten zur Errichtung einer weiteren Pfalz in Regensburg? Wie sah die Pfalz der Karolinger aus? Der Ursprung von drei Skulpturen in der Vorhalle von St. Emmeram, sowie der eines Steinthrons in der Wolfgangskrypta, ist bis heute rätselhaft.
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Arnulf von Kärnten: Erbauer der Königspfalz in Regensburg
Eine der wichtigsten Städte im Reich der Karolinger im 9. Jhd. war Regensburg. Als „Civis regia“ war die Stadt in diesem Zeitraum, neben Aachen und Frankfurt, einer der Hauptstädte im ostfränkischen Reich.
Vierter Nachfolger des ostfränkischen Königs Ludwig II. dem Deutschen (um 806 – 876), war sein Enkel Arnulf von Kärnten (850 – 899). Arnulf wählte Regensburg als seinen bevorzugten Aufenthaltsort und machte Bayern zum Kernland im Ostfrankenreich.
In Regensburg ließ er sich von 888 – 890 bei der Abtei St. Emmeram eine Königspfalz erbauen. Damit betonte der Karolingerkönig nicht nur die Priorität seiner Politik im Südosten des Reichs, sondern auch die Traditionen seines Vorgängers in Regensburg, Ludwig dem Deutschen.
Arnulf beschenkte das Kloster St. Emmeram reich und erhob den dort verehrten Märtyrer-Bischof Emmeram (? – 652) zum Patron der Karolinger. Dadurch wollte er einen ideellen Mittelpunkt des Reichs schaffen. Die Benediktinerabtei St. Emmeram und die Königspfalz lag im 9. Jhd. noch außerhalb der Stadtmauern von Regensburg.
Möglicherweise wurde die Erweiterung der Stadtmauern Richtung Süden, um Kloster und Königspfalz abzusichern, bereits während der Amtszeit von Arnulf begonnen. In Rom wurde Arnulf von Kärnten im Jahr 896 von Papst Formosus (816 – 896) zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gekrönt.
Arnulf schenkt dem Kloster St. Emmeram den Codex Aureus
Die Prachthandschrift Codex Aureus (lateinisch: Goldenes Buch) schenkte König Arnulf von Kärnten im Jahr 893 dem Kloster St. Emmeram.
Das lateinische Evangeliar entstand um 870, vermutlich in der Hofschule der Abtei St. Denis in Paris, für den Karolingerkönig Karl II. dem Kahlen (823 – 877). Es zählt zu den wichtigsten Werken karolingischer Buchmalerei.
Der vergoldete Buchdeckel ist mit Edelsteinen und Gemmen verziert. Das Evangeliar umfasst 126 Pergamentblätter im Format 42 × 33 cm. Die Handschrift befindet sich in der Bayerischen Staatsbibliothek in München.
Regensburg: Die Lieblingspfalz von Arnulf von Kärnten
Arnulf von Kärnten ließ mindestens vier Reichsversammlungen der Karolinger in der Königspfalz bei St. Emmeram abhalten. Etwa ein Drittel der von ihm unterzeichneten Urkunden wurden in Regensburg ausgestellt.
Der Karolingerkönig hielt sich mindestens ein- bis zweimal pro Jahr mit Familie und seinem Gefolge in der Regensburger Pfalz bei St. Emmeram auf.
Sechs mal feierte der König das Osterfest in Regensburg. Insgesamt sind vier längere Aufenthalte in den Wintermonaten in der „Lieblingspfalz“ von Arnulf von Kärnten überliefert.
Feldzüge im Norden, Osten und Süden des Ostfrankenreichs
In seiner Regierungszeit musste Arnulf zum Schutz des karolingischen Ostfrankenreichs mehrfach Krieg führen. Im Norden plünderten Normannen immer wieder Städte. Im Jahr 891 zog der König mit seinem Heer dorthin und konnte nach einer erfolgreichen Schlacht die Überfälle der Normannen beenden.
Gegen die Mährer, einem westslawischen Stamm im heutigen Tschechien, unternahm Arnolf 892 und 893 Feldzüge und griff dazu auf die Ungarn als Verbündete zurück.
Im Jahr 893 zog König Arnulf, nach einem Hilferuf von Papst Formosus (816 – 896), nach Italien. Dort ging er gegen den Gewaltherrscher Wido von Spoleto vor und eroberte mehrere Städte in Oberitalien.
Arnulf von Kärnten: Der letzte Karolingerkaiser
Arnulf von Kärnten starb 899, er war der letzte Kaiser aus der Dynastie der Karolinger. Sein erst sechsjähriger Sohn Ludwig IV. das Kind (893 – 911) wurde im Jahr 900 zum König gekrönt. Mit dem frühen Tod von Ludwig IV. im Jahr 911 erlosch die Linie der ostfränkischen Karolinger.
Arnulf und sein Sohn Ludwig wurden in Basilika von St. Emmeram beigesetzt. Bei einem Brand 1642 wurden die Grablegen zerstört. An Kaiser Arnulf erinnert eine Inschrift im Boden des Hauptchors.
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Wie sah die Königspfalz bei St. Emmeram aus?
Das gotische Portal am Emmeramsplatz in Regensburg steht am selben Ort an dem sich einst der Zugang in die Königspfalz befand. Teile der heutigen Vorhalle von St. Emmeram stammen vom Thronsaal der Pfalz aus Karolingerzeit, die im 9. Jhd. unter Arnulf von Kärnten erbaut wurde.
Vor allem sind dies die runden Doppelnischen am Kircheneingang in die Basilika von St. Emmeram. Der zweischiffige Thronsaal von Arnulf, mit sieben Jochen und einer Doppelapsis im Süden, war offenbar mit einem Flachdach abgedeckt.
Die Repräsentationsräume der Aula Regia lagen im Erdgeschoss, die Wohn- und Schlafräume des Herrschers und seiner Familie befanden sich im Obergeschoss.
Die Repräsentationshalle der Königspfalz von Arnulf von Kärnten in Regensburg war zwei Stockwerke hoch. Derartige Hallen wurden damals Aula Regia genannt. Vorbild war die Aula Palatina, des römischen Kaisers Konstantin I. dem Großen (um 270 – 337), in Trier.
Die Torkapelle St. Michael war nur von den Privaträumen der königlichen Famile zugänglich. Die Grundfläche der Halle belief sich auf rund 58 x 17 Meter und ist fast identisch mit der Pfalz in Ingelheim bei Mainz.
Der Thronsaal in der Ingelheimer Pfalz besaß eine Firsthöhe von imposanten 19 Metern. Welche Höhe die Halle von Regensburg hatte ist unbekannt. Neueste Forschungsergebnisse ergaben, dass die Doppelapsis des Thronsaals zwischen 1049 und 1060 zum Kircheneingang umgestaltet wurde.
Eine dendrochronologische Untersuchung von dort verbautem Holz bestätigt die Datierung. Der Eingang zur Basilika lag bis zu diesem Zeitpunkt im Westen der Klosterkirche von St. Emmeram. Grund für den Umbau war die Errichtung des mächtigen Westquerhauses und der Wolfgangskrypta.
Nach einer Brandkatastrophe im Jahr 1166 musste der Zugang in die Klosterkirche von St. Emmeram renoviert werden. Aus statischen Gründen wurde die Vorhalle mit zwei Jochen angelegt. In beiden Fällen handelte es sich um Umbauten bzw. Sanierungen am alten Thronsaal, nicht um Neubauten.
Die erhaltene Westmauer und die zugemauerten Rundbogenfenster mit Säulen in der Vorhalle von St. Emmeram wurden bei der Renovierung des Thronsaals 1166 neu aufgemauert. Vorgängerbau der Kirche St. Rupert war die karolingische Pfalzkapelle St. Maria, die einst das Gefolge des Königs nutzte.
Das Nebeneinander von Königs- und Herzogspfalz wurde von Herzog Heinrich II. von Bayern (951 – 995) aufgehoben. Der Regierungssitz wurde zurück in die Herzogspfalz am Alten Kornmarkt verlegt.
Bis zum Ende der Stauferzeit, Mitte des 13. Jhds., hielten sich die Herrscher mit Gefolge während ihrer Besuche in Regensburg in den Pfalzgebäuden bei St. Emmeram auf.
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Zum Vergleich: Der Thronsaal der Kaiserpfalz von Ingelheim
Der Saalbau (Aula Regia) in der Kaiserpfalz von Ingelheim bei Mainz wurde Ende des 8. Jhds. errichtet. Der einschiffige Apsidensaal war 40,5 Metern lang und 16,5 Metern breit. Mit ihren Maßen ist der Thronsaal von Ingelheim mit der Königspfalz von St. Emmeram in Regensburg fast identisch.
Vorgelagert war dem Zugang zum Thronsaal eine Vorhalle (Narthex) im Norden. Weitere Portale lagen an der Ost- und Westseite. Die Aula regia von Ingelheim war ein prachtvoll ausgestatteter Schauplatz von Treffen, Feiern, aber auch Gerichtsverfahren der Karolingerherrscher.
Die Errichtung einer Pfalz in Ingelheim wird vom Chronisten Einhart (um 770 – 840) als eine der wichtigsten Bauleistungen von Karl dem Großen (747 – 814) überliefert. Der Hof aus der Merowingerzeit wurde dazu abgerissen. Karl verbrachte den Winter 787 in Ingelheim und blieb bis Mitte 788.
In diesem Jahr wurde eine Reichsversammlung in der Aula Regia abgehalten. Dabei wurde der bajuwarische Agilolfingerherzog Tassillo III. (um 741 – um 796) verurteilt, abgesetzt und lebenslang ins Kloster verbannt. Von heutigen Historikern wird der Vorgang als politischer Scheinprozess gewertet.
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Die Statuen in der Vorhalle: Emmeram, Christus und Dionysius
In der Apsis des Thronsaals der Königspfalz von St. Emmeram könnten sich bereits in der Zeit der Karolinger drei Steinreliefs befunden haben. In der Mitte der thronende Christus, links der Hl. Emmeram, rechts der Hl. Dionysius. Die Statuetten stehen sich bis heute in der Vorhalle.
Der Ehrentitel Salvator mundi (lateinisch: Erlöser der Welt) für Jesus Christus wurde von den karolingischen Herrschern gefördert. Unter König Arnulf von Kärnten bekam Bischof Emmeram den Rang eines Reichsheiligen. Traditionell war Dionysius Schutzheiliger der Merowinger und Karolinger.
Dionysius von Paris wurde im Frankenreich als Nationalheiliger verehrt. Der Missionar lebte im 3. Jhd., war der erste Bischof von Paris und starb als Märtyrer. Dionysius war einer der vierzehn Nothelfer. Im 11. Jhd. erhob die Abtei St. Emmeram den Anspruch Reliquien des Hl. Dionysius von Paris zu besitzten.
Die Reliquien des Hl. Dionysius hatte Arnulf von Kärnten um 890 angeblich aus der Abtei St. Denis in Paris stehlen lassen. Im Regensburger Kloster St. Emmeram wurden sie versteckt und erst 1049 „wiederentdeckt“. Die Dionysius-Verehrung erhielt anschließend auch in Deutschland ihren Aufschwung. In der Wolfgangskrypta befindet sich heute der Sarkophag des Hl. Dionysius.
Regnet’s an Sankt Dionys, wird der Winter nass – gewiss“
Bauernregel für den 9. Oktober, dem Gedenktag des Hl. Dionysius
Es kursiert die These, dass die drei Figuren in der Vorhalle von St. Emmeram noch aus der Pfalz von Arnulf von Kärnten stammen und in der Apsis des Thronsaales angebracht waren.
Dann wäre die Christusfigur im Typus des Salvator mundi genau über dem Thron des Königs platziert gewesen. Leider sind nur wenige Skulpturen aus der Zeit der Karolinger erhalten geblieben, eine stilistische Zuordnung der Kunstwerke ist daher schwierig.
Stammen die Reliefs der Vorhalle aus der Zeit von Abt Reginward?
Die Statuen in der St. Emmeramer Vorhalle könnten auch dem 11. Jhd. entstammen. Reginward war von 1048 – 1060 Abt von St. Emmeram und könnte die Figuren für das Portal anfertigen haben lassen.
Darauf weißt ein Medaillon zu Füßen der Christusfigur hin, das auch entsprechend beschriftet ist. Das Abt-Medaillon ist nach stilistischer Betrachtung deutlich später an der Skulptur angebracht worden.
Aufgrund ihrer Größe und Darstellungsform sind die Figuren sicherlich einzigartig. Die Reliefs am Eingang zu St. Emmeram zählen zu den ältesten in situ erhaltenen Portalskulpturen nördlich der Alpen.
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Der Heinrichsstuhl in St. Emmeram: Kaiserthron und Richterstuhl?
Ein ehrwürdiger Thron aus Dolomitgestein befindet sich heute in der Westnische der Wolfgangskrypta in St. Emmeram. Der prächtige Steinsessel wird Heinrichsstuhl genannt. Doch woher stammt sein Name? Nutzte ihn schon Arnulf von Kärnten im 9. Jhd.?
Die optische Erscheinung könnte in diese Epoche passen. Die Wächterfiguren ähneln Löwen und offenbar war der Sessel lange Zeit in Gebrauch.
Der Karolingerkönig hätte auf dem Thron würdevoll unter den Skulpturen in seiner Thronhalle gesessen, symbolträchtig unter der Christusfigur.
Wenn der Arnulf von dort aus regiert hat, wäre der Thron über 1.100 Jahre alt. Bis 1894 stand der Heinrichsstuhl unter der Christusfigur in der Vorhalle von St. Emmeram. In Fachkreisen kursiert eine Datierung des Throns auf das 10./11. Jhd. Traditionell wird er Herzog Heinrich II. von Bayern (951 – 995) zugeschrieben.
Doch dieser hielt sich selten in Regensburg auf und stand eher in Ungnade. Die Sage zu Heinrich II. ist unter „Heinrichs des Heiligen Stuhl zu Regensburg“ bekannt. Adlige die mit dem Amt eines Burggrafen, in Vertretung des Herrschers, ausgestattet wurden nutzten den Thron in St. Emmeram im 12. Jhd. als Richterstuhl.
Das Burggrafenamt wurde in dieser Zeit an die Babonen vergeben. Die Familie der Babonen (auch Pabonen) war eines der führenden bayerischen Adelsgeschlechter, ein Zweig der der Huosi-Dynastie.
Drei Burggrafen der Babonen trugen den Namen Heinrich. Burggraf Heinrich III. (um 1100 – 1174) war 1156 Vogt (lateinisch: Advocatus) in St. Emmeram. Er könnte dort den Sessel als Richter genutzt haben und dem rätselhaften Thron seinen Namen gegeben haben.
Adresse, Öffnungszeiten, Eintritt: Basilika St. Emmeram
Adresse: Basilika St. Emmeram, Emmeramsplatz 3, 93047 Regensburg. Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag 10 – 16 Uhr (Sommer bis 18 Uhr), Freitag und Samstag 12 – 16 Uhr (Sommer bis 18 Uhr), Samstag 9 – 16 Uhr (Sommer bis 18 Uhr). Eintritt: Frei. Website: www.st-emmeram-regensburg.de Infos zu Führungen: domplatz-5.de
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Buchtipp
Vandenhoeck & Ruprecht Verlag, Die deutschen Königspfalzen. Beiträge zu ihrer historischen und archäologischen Erforschung, 8 Bände. Empfehlung: Band 5 – Bayern, Bayrisch Schwaben, 2016.
Quelle: Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg, Die Pfalz Kaiser Arnulfs in Regensburg und ihr künstlerischer Schmuck, von Klaus Gamber, Universitätsbibliothek Regensburg, Historischer Verein für Oberpfalz und Regensburg, 1977. Website: www.heimatforschung-regensburg.de
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