Griechische und lateinische Zitate, Redewendungen oder Geflügelte Worte kennt jeder. Doch selten sind ihre Urheber, noch seltener der Zusammenhang und die Bedeutung bekannt. In unserer Blog-Serie „Zitate aus der Antike“ stellen wir euch regelmäßig ein Zitat vor. Dieses soll dazu einladen ein wenig über das zu Sinnieren was dahintersteckt. Für Freunde der Antike und alle historisch-sprachlich Interessierten.
Gnothi seauton“ – Erkenne dich selbst!
Gnothi seauton (γνῶθι σεαυτόν) „Erkenne Dich selbst!“ ist eine von drei apollonischen Weisheiten aus Delphi. Die zwei weiteren sind „Meden agan“ (Μηδὲν ἄγαν) „Nichts im Übermaß!“ und „Ei“ (Εἶ) „Du bist“.
Die Inschriften wurden spätestens ab Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. an den Säulen der Vorhalle des antiken Apollontempels im Heiligtum von Delphi angebracht.
Die Existenz dieser Inschriften ist aus schriftlichen Quellen aus der Antike überliefert. Bisher können die Texttafeln jeoch nicht durch archäologische Fundstücke bestätigt werden.
Der Philosoph Sokrates (469 – 399 v. Chr.) entwickelte aus „Erkenne Dich selbst!“ das Prinzip der Selbsterkenntnis, als Vorbedingung philosophischer Erkenntnis und Weisheit.
Mein Bester, vergiß nicht, dich selbst zu erkennen, und mache nicht den Fehler, den die meisten Menschen machen! Denn die meisten sind darauf aus, vor den Türen anderer zu kehren und kommen nicht dazu, vor ihrer eigenen zu kehren. Versäume also dieses ja nicht, sondern bemühe dich vielmehr, auf dich selbst zu achten und vernachlässige ja nicht den Staat, wenn du etwas zu seiner Besserung beitragen kannst. Denn wenn es mit diesem gut steht, so werden nicht nur die übrigen Bürger, sondern auch deine Freunde und du selbst den meisten Nutzen davon haben.“
Sokrates (469 – 399 v. Chr.), griechischer Philosoph.
Quelle: Xenophon, Memorabilien: Erinnerungen an Sokrates, 371 v. Chr. III, 7, 9
Der Verfasser von „Erkenne Dich selbst!“ war offenbar Chilon von Sparta (um 600 – 520 v. Chr.), ein Politiker und Reformer aus Sparta auf dem Peloponnes.
Einige Historiker nennen auch Solon von Athen (um 640 – 560 v. Chr.) als Urheber. Solon war ebenfalls als Politiker und Reformer, aber auch als Lyriker und Philosoph in Athen tätig.
Beide Politiker gehörten zu den „Sieben Weisen“ der griechischen Antike, einer Gruppe von Denkern und Staatsmännern des öffentlichen Lebens, die im 7. und 6. Jhd. v. Chr. wirkten.
Die Aufforderung „Erkenne Dich selbst!“ deutet die Absicht des Apollonkultes an.
Der Besucher sollte seine Probleme und Fragen durch die Auseinandersetzung mit seiner inneren Persönlichkeit lösen. Die Erkenntnis seines Innenlebens diente Problemlösungen mit der „äußeren Welt“.
Die zweite Inschrift „Nichts im Übermaß“ mahnt zur Bescheidenheit. Das rechte Maß ist eine der Grundsätze antiken griechischen Denkens.
Diese ging von Platons Ideenlehre bis zu Aristoteles‘ Tugendethik, sie beinhaltete auch Musik, Mathematik, Medizin und weitere gesellschaftlichen Bereiche.
Der griechische Schriftsteller Plutarch (45 – 125 n. Chr.) hat das Ritual aus dem Tempel von Delphi überliefert: Zunächst sprach der Besucher Apollon mit „Du bist“ an.
Einer Anrede die dem Gläubigen die Macht Gottes bewusst machte. Im Anschluss setzte sogar ein Dialog zwischen Apollon und Gast ein: „Erkenne dich selbst“ grüßte dann der Gott den Ratsuchenden.
Die Aussage „Erkenne Dich selbst!“ wurde als „Nosce te ipsum“ ins Lateinische übernommen. Der ersten Beleg lieferte Heraklit von Ephesos (um 520 – 460 v. Chr.): „Allen Menschen ist zuteil, sich selbst zu erkennen und verständig zu denken.“
Diese und viele weitere Weisheiten, die in im Heiligtum von Delphi gelehrt und gelebt wurden, waren damals in der ganzen antiken Welt berühmt.
Der Mensch ist ein dunkles Wesen. Er weiß nicht,
woher er kommt, noch wohin er geht, er weiß
wenig von der Welt und am wenigsten von sich selber.“Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832), deutscher Dichter.
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Der letzte Orakelspruch von Delphi ist aus dem Jahr 362 überliefert und von bedrückender Schönheit.
Εἴπατε τῷ βασιλεῖ, χαμαὶ πέσε δαίδαλος αὐλά, οὐκέτι Φοῖβος ἔχει καλύβην. Οὐ μάντιδα δάφνην, οὐ παγὰν λαλέουσαν, ἀπέσβετο καὶ λάλον ὕδωρ.“
Kündet dem Kaiser, gestürzt ist die prunkvolle Halle. Phoibos Apollon hat nicht mehr sein Haus. Auch nicht den weissagenden Lorbeer noch die sprechende Quelle; verstummt ist auch das redende Wasser.“
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