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Für diese Tagestour sind wir im Nordwesten von Volterra unterwegs. Wir starten im ärchäologischen Park, an der Klippenlandschaft der Balze, um die etruskischen Stadtmauern zu bestaunen. Von der Mauerkrone bietet sich ein Panorama auf die Landschaft und die verlassene Abtei Badia Camaldulense.
Ein historischer Exkurs erklärt wie die Etrusker die Grenzen ihrer Städte und Stadttore festlegten. Zwei Aussichtspunkte an der „Le Balze“ möchten wir euch vorschlagen: Der erste liegt unterhalb des Borgo San Giusto, der zweite bei der Kirche San Cipriano im Val d’Era. Am Rand des Borgo San Giusto könnt ihr die geheimnisvolle Felsenquelle Masso di Mandringa besuchen, um die sich alte Legenden ranken.
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Etruskische Stadtmauern am Erdrutschgebiet „Le Balze“
Der etruskische Verteidigungsring um Volterra war in der Antike über sieben Kilometer lang. Ursprünglich umfasste die Stadtmauer der Etrusker eine Fläche von 116 Hektar. Somit war das ummauerte Gebiet der etruskischen Stadt Velathri viermal so groß wie die heute sichtbaren mittelalterlichen Mauern. Diese umfassen nur noch 26 Hektar Fläche, mit einer Länge von 2,6 Kilometern.
Das Areal von Velathri war nicht nur bebautes Siedlungsgebiet, sondern wurde auch für Feld- und Gemüseanbau oder Tiergatter genutzt. Heute ragen zwischen San Giusto Nuovo und der Klosterruine Badia Camaldolese imposante etruskische Befestigungsmauern auf bis zu zehn Meter Höhe auf. Einst waren die Stadtmauern zwölf Meter hoch und vier Meter tief.
Der Zugang zum kleinen Park befindet sich am Parkplatz „Le Balze„, neben dem gleichnamigen Campingplatz. Die antiken Befestigungsmauern liegen am Rand des Borgo San Giusto in der Guerruccia-Ebene. Auf einem Rundweg mit Infotafeln können Reste der etruskischen Stadtmauer in einer Länge von etwa 200 Metern bestaunt werden.
Von der Mauerkrone bietet sich ein fantastischer Blick auf die Landschaft, die verlassene Abtei Badia aus dem 11. Jhd. und das Erdrutschgebiet „Le Balze“. Die Bezeichnung „Le Balze“ stammt vom italienischen Wort „Balza“, für Steilhang.
Treppen führen auf eine tiefer liegende Terrasse, um auch die Reste der Stadtmauern an der Bergseite zugänglich zu machen. Hier hat sich dichter Mischwald gebildet, der in etruskischer Zeit nicht vorhanden war. Heute zaubert der Wald eine märchenhaft-entrückte Stimmung, verdeckt allerdings ein wenig den Blick in die Landschaft und auf die antiken Mauern.
Dieser Abschnitt der Befestigungsmauern datiert auf die hellenistische Epoche, zwischen dem 4. und 3. Jhd. v. Chr. und ist Teil des dritten Mauerrings von Velathri. Einbezogen wurden umfangreiche Gebiete, auch außerhalb des besiedelten Stadtgebiets mit zahlreichen Quellen. Von einst 7,1 Kilometer Länge sind heute noch 1,6 Kilometer (rund 22 %) der etruskischen Stadtmauer von Volterra erhalten.
Adresse, Parkplatz, GPS-Koordinaten
- Adresse: Parkplatz „Le Balze“, bei „Camping Le Balze“, Via di Mandringa, 56048 Volterra.
- Öffnungszeiten und Eintritt: Frei zugänglich.
- GPS-Koordinaten: 43.413336, 10.851057
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Nach der etruskischen Baulehre wurde zum Festlegen der Stadtgrenzen ein „Sulcus primigenius“ (lateinisch: allererste Furche) angelegt. Dieses Ritual wurde für Neugründungen oder Erweiterungen der Siedlungsgebiete angewendet. Dazu zogen Rinder einen Pflug und bildeten eine kreisförmige Furche um das Areal, die Furche hatte den Graben außen und den Auswurf innen.
Um den Verlauf der Stadtmauern festzulegen,
führten sie eine religiöse Zeremonie durch:
Sie spannten einen Stier und eine Kuh zusammen
und zogen die Furche mit einem kupfernen Pflug.“
Leon Battista Alberti (1404 – 1472), Humanist und Schriftsteller
Der „Sulcus primigenius“ war eine heilige und unverletzliche Grenze. Sie wurde durch Grenzsteine (Cippus) markiert, anschließend ließen die Baumeister Stadtmauern errichten. Nur an den Stellen der späteren Stadttore wurde der markierte Verlauf unterbrochen. Monumentale Steintore, mit Bögen aus keilfömigen Steinen, wie z. B. die Porta all’Arco wurden in hellenistischer Zeit errichtet. Sie gehen auf Einflüsse aus Griechenland zurück.
Bereits im 6. und 5. Jhd. v. Chr. war für die Städte der Etrusker der Bau von Stadtmauern ein wichtiger Schritt bei ihrer Entstehung oder Weiterentwicklung. Die etruskischen Stadtmauern um Velathri wurden in ebenem Gelände aus viereckigen, als Läufer und Binder gesetzten, großen Quadern (Opus quadratum) erbaut. Teilweise sind die Blöcke bis zu drei Meter lang und einen Meter hoch. Polygonalmauerwerk stellte größere Stabilität entlang der Abhänge sicher.
Als Baumaterial wurde Panchina verwendet, ein regionaler Kalksandstein. Das Umarbeiten, Restaurieren oder Erweitern der Stadtmauern im 4. Jhd. v. Chr. zeigt die wirtschaftliche Blüte der etruskischen Stadt Velathri. Aber auch seine schwierige politische Lage unter der ständigen Bedrohung durch Rom.
Der Militärstaat am Tiber führte seine Expansion und Herrschaft in Italien mit wirtschaftlichen, politischen und militärischen Mitteln aus. Das Römische Reich erbaute ab Mitte des 2. Jhds. v. Chr. die Küstenstraße Via Aurelia von Rom nach Pisa. Velathri wurde von seinen Häfen (Vada und Pisa) abgeschnitten.
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Gefährliche Schönheit: Die Klippen „Le Balze“ in Volterra
Wie problematisch und gefährlich die geologische Lage von Volterra ist, wird an den Klippen „Le Balze“ besonders intensiv deutlich: Fast senkrecht rutschen die Hänge ab, Pflanzenbewuchs findet meist kaum mehr Halt. Eine unwirtliche fast vegetationslose Mondlandschaft, deren Hügel mit tiefen Erosionsrinnen zerklüftet sind. Die Bewohner Volterras leben sicherlich in ständiger Angst.
Der mergelhaltige Lehm, der unter einer dünnen Erdschicht liegt, trägt keine Vegetation die festigend wirken könnte. Nach starken Regenfällen im Frühjahr und Herbst bilden sich immer wieder Erdrutsche. Im Lauf der Jahrhunderte wurden zahlreiche Bauwerke in die Tiefe gerissen: Die etruskischen Nekropolen Badia und Guerruccia, die frühmittelalterliche Kirche San Giusto und Teile der antiken Stadtmauer.
Borgo San Giusto: Die Badia-Nekropole an der Via della Frana
Wer die eindrucksvolle Klippenlandschaft „Le Balze“ von einem tiefer gelegenen Standort betrachten möchte, sollte beim Parkplatz die schmale Via della Frana in Richtung Westen hinunterfahren. Hier kam es im Frühjahr 2018 zu einem gefährlichen Erdrutsch, der die Via della Frana schwer beschädigte und unpassierbar machte. Die Schäden wurden im Sommer 2018 behoben.
Die steile Straße führt durch Olivengärten, unterhalb vom Borgo San Giusto, in Kehren ins Tal hinab. Nach einem Kilometer ist eine Straßenverbreiterung erreicht. Hier kann der Wagen abgestellt werden und es bietet sich auch eine Wendemöglichkeit. Nur wenige Meter vom Wendepunkt bietet sich, von einer mit Leitplanken befestigten Stelle, ein idealer Beobachtungspunkt.
Um die Klosterruine Badia befand sich die weitläufige etruskische Badia-Nekropole. Der antike Friedhof wurde über Jahrhunderte genutzt, die Gräber datieren vom 8. bis 1. Jhd. v. Chr. Im 17. Jhd. stürzte die Fläche nach Erdbeben und Erdrutschen in die Tiefe und die meisten Grablegen wurden zerstört.
Die Mönche sammelten die verstreuten Fundstücke ein und legten in der Abtei ein kleines Museum an. In den 1960er-Jahren wurden archäologische Grabungen, unter dem Archäologen Enrico Fiumi (1908 – 1976), an den Steilhängen getätigt. Viele Urnen aus Alabaster waren durch Wassereinbrüche beschädigt, dennoch konnten wertvolle Fundstücke geborgen werden.
GPS-Koordinaten, Via della Frana: 43.413392, 10.845937
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Masso di Mandringa: Felsenquelle mit Zauberkraft?
An der Auffahrt zum Parkplatz „Le Balze“ im Borgo San Giusto fällt ein riesiger Felsbrocken auf, der Masso di Mandringa genannt wird. Unterhalb des Findlings entspringt eine uralte Quelle um die sich Geschichten und Legenden ranken.
Sicherlich nutzten auch die Etrusker die Felsenquelle als Brunnen. Angeblich wird Nachts der Felsbrocken zu einem geisterhaften, verzauberten Ort. Diese Phänomene treten offenbar nur Samstags auf.
Es kreisen Erzählungen, dass in der Dunkelheit ein Zischen oder auch Stimmen beim Masso di Mandringa zu hören sind. Könnte der Felsen eine vulkanische Fumarole sein? Fauchen und Zischen ist an Fumarolen deutlich hörbar, wie wir in den Vulkan-Feldern von Sasso Pisano, in den Colline Metallifere, selbst erlebt haben.
Der italienische Schriftsteller Gabriele D’Annunzio (1863 – 1938) erwähnte die Felsenquelle und ihre gute Wasserqualität des Masso di Mandringa in seinem Roman „Forse che si, forse che no“ (Vielleicht, vielleicht auch nicht) im Jahr 1910. Unterhalb der heutigen Hauptstraße, nahe der Leitplanken, wurde im 13. Jhd. ein Brunnenhaus mit gotischen Steinbögen angelegt.
GPS-Koordinaten, Masso di Mandringa: 43.411913, 10.851843
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Val d’Era: Panorama auf die „Le Balze“ bei San Cipriano
Eine weitere Möglichkeit der „Le Balze“ näher zu kommen befindet sich im Val d’Era bei der Kirche San Cipriano, im Weiler San Cipriano di Villamagna. Dazu die Hauptstraße SP15, Richtung Pisa weiterfahren. Nach 3,5 Kilometern zweigt auf der linken Seite ein beschilderter Fahrweg ab. Nach dem Abzweig liegt ein kleiner Friedhof, dort kann der Wagen abgestellt werden.
Vom Friedhof sind es etwa 400 Meter bergauf bis zur Kirche San Cipiriano. Neben der Kirche befindet sich ein schlichter Bauernhof. Im 14. Jhd. befand sich hier ein Hospital, das „Verano in San Cipriano“ genannt wurde. Dazu gehörte auch die Kirche, heute ist sie die Pfarrkirche des Weilers. Im Areal um die Kirche bieten sich spektakuläre Blicke auf die Mondlandschaft der „Le Balze“.
GPS-Koordinaten, San Cipriano: 43.430031, 10.841238
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