Inhaltsverzeichnis
- 1 Steinzeitjäger im Karwendel: Vom Mesolithikum ins Neolithikum
- 2 Bronzezeit: Handelsroute durch das Rissbach Tal im Karwendel
- 3 Karwendel: Verbindungen ins Hall-Tal in der Eisenzeit
- 4 Römer im Karwendel: Die Raststation Scarbia an der Via Raetia
- 5 Eng Alm: Bewirtschaftung seit Jahrhunderten, oder viel länger?
- 6 Video: Almabtrieb von der Binsalm übers Lamsenjoch ins Zillertal
- 7 Unser Buch-Tipp
- 8 Unser Film-Tipp: Der Mann aus dem Eis
- 9 Pinne unsere Tipps im Karwendel auf Pinterest
- 10 Mehr Lesefutter? Hier entlang!
Wer würde vermuten, dass schon in der Steinzeit Jäger und Sammler im Karwendel in den nördlichen Alpen zwischen Bayern und Tirol unterwegs waren. Der Reichtum der Gebirgskette an Jagdwild, Wald, Stein- Erz-, Mineral- und Salzvorkommen ist seit Urzeiten bekannt. Seit der Bronzezeit lebten im Sommer Hirten mit ihren Herden in den Nordalpen. Eine Handelsroute für Feuerstein brachte Händler ins Karwendel.
Während der Hallstadtzeit gab es vom Rissbach Tal Handelsverbindungen ins Hall Tal. Das römische Reich baute vorhandene Straßenverbindungen in der Region weiter aus. Wird die Eng Alm im Ahornboden möglicherweise deutlich länger bewirtschaftet, als es mittelalterliche Urkunden überliefern?
Aus Sicht der Archäologen war das Karwendel bis vor wenigen Jahren völlig unerforschtes Terrain. Nur wenige Einzelfunde konnten in der von Vieh- und Holzwirtschaft genutzten Gebirgsgruppe gesichert werden. Ziel aktueller Ausgrabungskampagnen der letzten Jahre waren die Erforschung der Nutzungs- und Siedlungsgeschichte im Karwendel, von der Steinzeit bis zum Ende der Eisenzeit.
Mehrere Geländebegehungen zu den Almböden im Risstal, Ahornboden und Laliderertal führten die Forscher auf Höhen von 1.000 bis 2.000 Meter. Dabei wurden im Gelände Hochflächen, Passübergänge und geschützte Lagerplätze untersucht. Das Forschungsprojekt „Archäologie im Karwendel“ führte von 2015 bis 2018 archäologische Grabungen und geologische Untersuchungen durch.
Ausgeführt wurde das Projekt vom „Institut für Vor- und frühgeschichtliche Archäologie und Provinzialrömische Archäologie“ unter der Leitung von Dr. Caroline von Nicolai von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München. Kooperationspartner des Forschungsprojekts waren der Alpenpark Karwendel und die Münchener Universitätsgesellschaft.
Lest dazu unsere Naturreportage: Tirol: Karwendel – Ausflug zum Ahornboden und der Eng Alm
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Steinzeitjäger im Karwendel: Vom Mesolithikum ins Neolithikum
Inmitten einer Bergwiese in der Umgebung von Hohljoch und Laliderertal untersuchten die Forscher eine Gebäuderuine aus Trockenmauerwerk des 17. /18. Jhds. Die Reste dieser Almhütte liegen auf 1.820 Meter Höhe. Das Gebäude war zum Tal hin offen. Unter den Fundamenten des neuzeitlichen Gebäudes wurden mehrere Gruben lokalisiert, diese dienten offenbar Steinzeitjägern als Abfallgruben.
In diesen Gruben wurden Tierknochen, Lehm, Holzkohle und Steingeräte aus Hornstein, Radiolarit, Feuerstein und Bergkristall entdeckt. Die Fundstücke aus der Steinzeit belegen, dass hier regelmäßig Gruppen von Jägern und Sammlern im Sommer auf ihren Streifzügen Rast machten.
Die Jäger entzündeten Feuer, stellten Waffen und Werkzeuge her, oder reparierten diese. Reste von Birkenpech als Klebemittel belegen, dass vor Ort Speerspitzen oder Pfeilspitzen damit befestigt wurden. Dazu fanden sich Steinsplitter die bei der Herstellung von Waffen oder Werkzeug entstehen.
In der Nähe der Gruben stellten die Jäger möglicherweise Zelte auf. Diese Zelte ähnelten den Tipis der Indianer Nordamerikas. Aus langen Holzstangen wurde das Gerüst erbaut, das mit Fellen und Tierhäuten abgedeckt wurde.
Magnetometer-Messungen zeigten, dass sich im Umfeld des Lagers der Steinzeitjäger weitere Abfallgruben, Palisaden oder Gräben befinden.
Hornstein aus dem Karwendel war in der Steinzeit ein begehrtes Rohmaterial, dass für die Herstellung von Messern, Dolchen und Pfeilspitzen verwendet wurde. Feuerstein gehört zur Gruppe der Hornsteine.
Beim Zuschlagen von Hornstein bilden sich messerscharfe Kanten. Das „Eisen der Steinzeit“ war das sehr harte rötliche Gestein Radiolarit, dass allerdings weniger scharfen Bruchkanten ausbildet. Aus Radiolarit wurden überwiegend Beile, aber auch Bohrer hergestellt.
Spuren steinzeitlicher Jägerlager mit Geräten aus Hornstein finden sich im Karwendel und Rofangebirge. Funde von Hornstein an weit entfernten Orten belegen die Bedeutung des Abbaugebietes. Datierungen der Holzkohle aus den Gruben am Hohljoch ergaben die Zeiträume 5000 und 4850 v. Chr. Dieser Lagerplatz wurde am Übergang vom Früh- zum Mittelneolithikum genutzt.
Das zweite untersuchte Material aus den Gruben beim Hohljoch war älter, sie datiert auf den Zeitraum um 7000 v. Chr. und fällt damit in die Epoche des Mesolithikum. Die Menschen in der Mittelsteinzeit waren Nomaden und lebten von der Jagd und dem Sammeln von Nahrung. Das Mesolithikum wurde erst durch die Ausbreitung von Ackerbau und Viehzucht in der Jungsteinzeit beendet.
Beim Aufstieg von der Eng Alm im Großen Ahornboden zum Hohljoch lokalisierten die Forscher einen Felsunterstand, auch Abri genannt. Der Platz liegt 1.350 Meter hoch und ist wind- und wettergeschützt. Durch seine Panorama-Lage und Größe wäre der Ort ein perfekter Lagerplatz für Jäger, Sammler, Hirten und Reisende gewesen. Exakte Untersuchungen des Unterstands stehen noch aus.
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Bronzezeit: Handelsroute durch das Rissbach Tal im Karwendel
Aus der Bronzezeit konnten im Risstal oder Ahornboden bislang nur einzelne Zufallsfunde gesichert werden. Aus der Urnenfelderkultur stammt beispielsweise ein Bronzeschwert. Die oben gezeigte Abbildung zeigt einen Schwert-Typ aus dieser Epoche. Das spätbronzezeitliche Fundstück datiert auf das 11. bis 10. Jhd. v. Chr. und wurde bei Hinterriss entdeckt.
Während der Bronzezeit verlief eine Handelsverbindung für Feuerstein durch das Risstal. Die Route startete im Voralpenland bei Bad Tölz und führte über das Plumsjoch im Vorkarwendel zum Achensee und weiter ins Inntal. Von dort führte der Fernhandelsweg weiter über die Alpen nach Süden. Das Bronzeschwert ist offenbar ein Beleg für die Anwesenheit von bewaffneten Händlern im Rissbach Tal.
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Karwendel: Verbindungen ins Hall-Tal in der Eisenzeit
Bei Hinterriss wurde Keramik der älteren Eisenzeit, auch Hallstattzeit genannt, gefunden die aus dem Hall-Tal stammte. Das Foto zeigt Beispiele dieser Töpferwaren. Die Funde datieren auf das 7. bis 5. Jhd. v. Chr. Das Hall-Tal liegt im Karwendel und ist ein Seitental vom Inn-Tal nahe der einstigen Salinenstadt Hall in Tirol. Ausbeutung der Solequellen im Hall-Tal sind spätestens ab der Hallstattzeit belegt.
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Römer im Karwendel: Die Raststation Scarbia an der Via Raetia
Die Route über den Brenner und den Seefelder Sattel war als „Bernsteinstraße“ über die Alpen schon in vorrömischer Zeit ein bedeutender Handelsweg. Nach der römischen Eroberung des Alpenvorlandes Anfang des 1. Jhds. wurde die antike Trasse über den Brenner als befestigter Karrenweg angelegt.
Später führte die römische Via Raetia über Innsbruck, den Seefelder Sattel und den Scharnitz-Pass weiter bis nach Augsburg. Am Scharnitz-Pass erbauten die Römer die Rast- und Wachstation Scarbia. Diese Mansio (lat. manere, bleiben) könnte der Ursprung der Ortschaft Scharnitz gewesen sein.
Jedoch ist die Lage von Scarbia unbekannt. Entfernungsangaben in der römischen Straßenkarte Tabula Peutingeriana sprechen auch für Bereiche bei Mittenwald. Im Mittelalter wurde Mittenwald „Scernizwalt“ genannt. Die Via Raetia war eine wichtige Militär- und Handelsstraße. Reste der Via Raetia sind in Klais bei Krün sichtbar. Ein antiker Hohlweg hat sich dort mit seinen Wagenfurchen erhalten.
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Eng Alm: Bewirtschaftung seit Jahrhunderten, oder viel länger?
Seit der Mensch in der Jungsteinzeit vom Nomaden zum Bauern wurde, betrieb er auch die Hochweide-Wirtschaft mit Almen. An der Alpensüdseite ist Almbetrieb mit Ziegen und Schafen aus dem 4. Jtsd. v. Chr. belegt. An der Alpennordseite reicht sie bis zur Bronzezeit im 2. Jtsd. v. Chr. zurück.
Almwirtschaft im Dachsteingebiet während der Bronzezeit bestätigen Radiokohlenstoff-Datierungen. Seit Jahrtausenden entlasteten Almen die Weiden in den Tälern und ermöglichten das Anlegen von Vorräten für den Winter. Eine Besiedelung der Alpen hätte ohne Almbauern nicht stattgefunden.
Mehrere Erwähnungen der Eng Alm im Karwendel in Urkunden aus dem Mittelalter lassen vermuten, dass seit dem 11. Jhd. das Hochtal besiedelt war. Der älteste schriftliche Nachweis für die Bewirtschaftung der Eng stammt aus dem Jahr 1523. Darin wird auch eine Begehung der Grenzen des Almgebiets überliefert. Im Jahr 1569 wurde die Eng Alm in einem Dokument detaillierter beschrieben.
Im 13. Jhd. begann der Salzabbau in Hall im Tiroler Inntal. Das Karwendel bei Hinterriss war schon seit der Steinzeit wichtiges Jagdrevier. Ab dem 14. Jhd. ließen sich die Landesfürsten in Hinterriss ein Jagdhaus errichten. Der Ort existierte damals noch nicht. Die Entdeckung von Erzvorkommen und darauf folgende Rodungen im 15. Jhd. waren erste Eingriffe in die unberührte Natur des Karwendels.
Während des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648) zogen sich die Almbauern in das Obere Risstal zurück um sich vor Plünderungen in dieser unruhige Zeit zu schützen. Danach wurde die Almwirtschaft im gesamten Tal, sowie auf der Eng Alm offenbar längere Zeit unterbrochen. Die meisten der alten Bergahorne im Ahornboden stammen aus dem 17. Jhd.
Während der Zeit ohne Almbetrieb hatten die Bäume die Möglichkeit heran zuwachsen, ohne abgeweidet zu werden. Als Jahre später das Vieh ins Almtal zurück kam waren die Ahornbäume zu groß um abgeweidet zu werden. Der Ahornwald mit etwa gleich alten Bäumen blieb erhalten. Seit dieser Zeit wird die Eng Alm durchgehend bewirtschaftet.
Anfang des 17. Jhds. kam die Holztrift mit Baumstämmen über die Isar auf. Dabei wurde das Holz aus dem Karwendel ungebündelt ins Tal „getriftet“. Noch im 20. Jhd. war die Trift beliebtes Transportmittel für Waren und Personen. Eine Käserei auf der Eng Alm wurde 1883 eingerichtet. Seit 1942 ist die Trinkwasserversorgung mit einer Leitung gesichert. Ein kleines Wasserkraftwerk lieferte ab 1961 Strom.
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Video: Almabtrieb von der Binsalm übers Lamsenjoch ins Zillertal
Unser Buch-Tipp
Berenkamp Verlag, Großer Ahornboden: Eine Landschaft erzählt ihre Geschichte, von
Unser Film-Tipp: Der Mann aus dem Eis
Der Kinofilm „Der Mann aus dem Eis“ spielt in der Jungsteinzeit und erzählt die fiktive Geschichte von Ötzi. Gezeigt wird ein archaisches Survivaldrama mit Jürgen Vogel in der Hauptrolle inmitten monumentaler Landschaften. Die Dreharbeiten fanden im Lebensraum der berühmten Gletschermumie vom Tisenjoch statt. Im Passeiertal, Schnalstal, Pfitschtal und am Mölltaler Gletscher. Der Film ist kein romantischer Heimatstreifen, sondern zeigt was die Natur für die Menschen im Neolithikum bedeutete. Wir blicken im Film weit in unsere eigene Vergangenheit zurück und staunen.
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