Griechische und lateinische Zitate, Redewendungen oder Geflügelte Worte kennt jeder. Doch selten sind ihre Urheber, noch seltener der Zusammenhang und die Bedeutung bekannt. In unserer Blog-Serie „Zitate aus der Antike“ stellen wir euch regelmäßig ein Zitat vor. Dieses soll dazu einladen ein wenig über das zu Sinnieren was dahintersteckt. Für Freunde der Antike und alle historisch-sprachlich Interessierten.
Sei wie ein Fels“ – Promontorii instar esse
Im sechsten Teil unserer Serie „Zitate aus der Antike“ beschäftigen wir uns mit einer Aphorisme des römischen Kaisers Mark Aurel (121 – 180 n. Chr.). Er war der letzte Adoptivkaiser Roms und ging vor allem als Philosoph in die Geschichte ein. Wie seine Vorgänger Nerva, Trajan, Hadrian, Antoninus Pius und sein Mitkaiser Lucius Verus verfolgte auch er für Rom eine Politik der Vernunft und des Ausgleichs.
Mit Mark Aurel gelangte ein Stoiker auf den römischen Kaiserthron (mehr dazu im Kapitel: Was ist ein Stoiker?). Aus seinem Buch „Selbstbetrachtungen“, das sicherlich zur Weltliteratur zählt, spricht ein hoher und empfindlicher Geist. Darin befragt Mark Aurel in schonungsloser Offenheit sein eigenes Ich. Seine persönlichen Beobachtungen auf die Welt verfasste er im aphoristischen Stil.
Die „Selbstbetrachtungen“ von Mark Aurel ist die letzte erhalten gebliebene Literatur aus der philosophischen Schule der römischen Stoa. Sein philosophisches Werk verfasste er in Altgriechisch, der Originaltitel lautet: Τὰ εἰς ἑαυτόν (Ta eis heautón). Sein letztes Lebensjahrzehnt verbrachte Marc Aurel vorwiegend im Feldlager.
Ab 172 n. Chr. verfasste Mark Aurel seine „Selbstbetrachtungen“, die ihn der Nachwelt als „Philosoph auf dem Kaiserthron“ präsentieren. Idealistischen Schwärmereien war er nicht verfallen, was dieses Zitat über den griechischen Philosophen Platon überliefert: „Hoffe nicht auf Platons Idealstaat, sondern gib dich zufrieden, wenn es ein ganz klein wenig vorangeht, und ziele auf diesen Ausgang, wie gering er auch ist.“
Das Gegenteil von Arroganz beschreiben seine „Selbstbetrachtungen“. Vorbildlich führt Mark Aurel sein Ideal aus: „Man sollte sein eigenes Ego nicht zu groß werden lassen, sondern sich stetig selbst in Frage stellen.“ Zu den Anhängern von Mark Aurels „Selbstbetrachtungen“ in der Neuzeit zählen beispielsweise Friedrich der Große, George Washington, Bill Clinton oder Helmut Schmidt.
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Mark Aurel: „Sei wie ein Fels …“ Selbstbetrachtungen, Kapitel IV, Absatz 49
Mark Aurel schreibt in der Aphorisme „Sei wie ein Fels …“ über das Bewahren innerer Ruhe in unruhigen Zeiten. Denn die Welt ist ein Organismus der die Balance hält. Entsteht ein Ungleichgewicht wird der Kosmos reagieren und es im alten Gleichgewicht, aber in neuer Definition regeln.
Sei wie ein Fels, an dem sich beständig die Wellen brechen!
Er bleibt stehen, und rings um ihn legen sich die angeschwollenen Gewässer.“
Original in Altgriechisch
„Ὅμοιον εἶναι τῇ ἄκρᾳ, ᾗ διηνεκῶς τὰ κύματα προσρήσσεται‘
ἡ δὲ ἕστηκε καὶ περὶ αὐτὴν κοιμίζεται τὰ φλεγμήναντα τοῦ ὕδατος.“
Lateinische Übersetzung
„Promontorii instar esse, ad quod fluctus perpetuo alliduntur:
illud autem consistit et circa se maris aestum compescit.“
Kompletter Text: „Sei wie ein Fels …“ von Mark Aurel
Sei wie ein Fels, an dem sich beständig die Wellen brechen: Er steht fest und dämpft die Wut der ihn umbrausenden Wogen. Ich Unglückseliger, sagt jemand, dass mir dieses oder jenes widerfahren musste! Nicht doch! Sondern sprich: Wie glücklich bin ich, dass ich trotz diesem Schicksal kummerlos bleibe, weder von der Gegenwart gebeugt noch von der Zukunft geängstigt!
Dasselbe hätte ja jedem anderen so gut wie mir begegnen können, aber nicht jeder hätte es ohne Kummer ertragen können. Warum wäre nun jenes eher ein Unglück als dieses ein Glück? Kann man das überhaupt ein Unglück nennen, was den Endzweck der Natur des Menschen nicht unerfüllt lässt, oder scheint dir etwas der Natur des Menschen zu widersprechen, was nicht gegen den Willen seiner Natur ist? Was ist aber dieser Wille? Du kennst ihn.
Hindert dich denn das, was dir zustößt, gerecht, hochherzig, besonnen, verständig, vorsichtig im Urteil, truglos, bescheiden, freimütig zu sein, alle Eigenschaften zu haben, in deren Besitz die Eigentümlichkeit der Menschennatur besteht? Denke also daran, bei allem, was dir Traurigkeit verursachen könnte, bei dieser Wahrheit Zuflucht zu suchen: Dies ist kein Unglück, vielmehr ein Glück, es mit edlem Mute zu ertragen.
Quellennachweis:
- Autor: Marcus Aurelius Antonius
- Titel: Des Kaisers Marcus Aurelius Antonius Selbstbetrachtungen
- Kapitel: Kapitel IV, Absatz 49
- Verlag: Verlag von Philipp Reclam jun.
- Veröffentlichung: 1949
- Übersetzer: Albert Wittstock
- Internet: gutenberg.spiegel.de
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Kurzbiografie: Mark Aurel (121 bis 180 n. Chr.)
Die Erziehung von Mark Aurel
Der spätere Kaiser Mark Aurel wurde als Marcus Annius Catilius Severus am 26. April 121 n. Chr. in Rom geboren. Er genoss die Erziehung einer privilegierten Senatorenfamilie. Sein erster Lehrer war Diognetus, ein freigelassener Sklave, der ihn für die Philosophie begeistern konnte. Fortgeführt hat seine Ausbildung der Politiker und Stoiker Quintus Junius Rusticus (100 – 170 n. Chr.). Dieser stand ihm später, während seiner Zeit als Kaiser, als Freund und Berater zur Seite.
Bereits mit zwölf Jahren trug Mark Aurel den für Philosophen typischen Umhang (altgriechisch: τρίβων, tríbōn) und beschloss auf dem Boden zu schlafen. Sein Vater Marcus Annius Verus d. J. starb während seiner Amtszeit als Prätor (128/129), als Marcus erst acht Jahre alt war. Mark Aurel wuchs bei seiner Mutter Domitia Lucilla Minor und Großvater Marcus Annius Verus (50 – 138 n. Chr.) auf.
Erste Erfahrungen in der Politik konnte Mark Aurel in der Regierungzeit von Kaiser Hadrian (76 – 138 n. Chr.) sammeln. Hadrian selbst hatte keinen leiblichen Sohn. Mit Unterstützung seines Großvaters wurde Mark Aurel daher als späterer Nachfolger aufgebaut.
Zuvor wurde Antonius Pius (86 – 161 n. Chr.) römischer Kaiser, der als Adoptivvater von Mark Aurel eingesetzt wurde. Im Jahr 145 heiratete Mark Aurel die fünfzehnjährige Annia Galeria Faustina (130 – 176 n. Chr.). Sie gebar im Laufe ihrer Ehe mindestens vierzehn Kinder, von denen die wenigsten ihre Eltern überlebten.
Mark Aurel: Stoiker, Kaiser und Feldherr
In römischer Zeit war die Adoptivpolitik gängig, so gelangte Mark Aurel am 7. Mai 161 auf dem Kaiserthron. Mark Aurel war damals vierzig Jahre alt. Er musste sich, wie auch seine Vorgänger, der Realpolitik beugen, um das riesige Imperium Romanum vor dem Zusammenbruch zu bewahren.
Mark Aurel führte Krieg gegen die Parther (Iran, Mesopotamien), Jazygen (Ungarn), Quaden und Markomannen (Österreich, Böhmen, Mähren, Schlesien) um die römische Autorität dort zu wahren. Bis 169 teilte er sich die Herrschaft mit seinem Adoptivbruder Lucius Verus (130 – 169 n. Chr.). Trotz seiner fast zwei Jahrzehnte inmitten von Kriegen bleibt Mark Aurel der Nachwelt als Philosoph in Erinnerung.
Die in seinem Werk „Selbstbetrachtungen“ formulierten unerschütterlichen Grundsätze wurden auch in Mark Aurels Leben geprüft. Im Jahr 180 erkrankte er an der Pest. Mit stoischer Gelassenheit legte er sich nieder und wartete auf den Tod. Mark Aurel starb am 17. März 180 in Vindobona, dem heutigen Wien. Mark Aurels Nachfolger auf dem Kaiserthron war sein Sohn Commodus (161 – 192 n. Chr.).
Was ist ein Stoiker?
Der stoische Philosoph betrachtet die Welt ganzheitlich. Für ihn ergibt sich aus allem ein universelles Prinzip. Der Stoiker versucht seinen Platz in dieser höheren Ordnung zu erkennen und zu erfüllen. Er übt sich in emotionaler Selbstbeherrschung und lernt sein Schicksal zu akzeptieren. Mit Hilfe von Gelassenheit und Seelenruhe strebt er nach Weisheit. Dazu wird alles Äußerliche wie Reichtum, Macht, Ansehen, Gesundheit oder der Tod als gleichgültig angesehen. Seelenruhe und Gelassenheit bedeutet für den stoischen Philosophen die höchste Form von Glück.
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